In einem jetzt veröffentlichten Interview mit Deutschlandradio Kultur kritisiert der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, die Kompetenzorientierung der aktuell gültigen Lehrpläne an deutschen Schulen. Von „Kulturbarbarei“ ist da die Rede und es wird auch die massive Befürchtung geäußert, dass das kulturelle sowie zeitgeschichtliche Wissen „unserer Gesellschaft“ langfristig verloren gehen könnte.
Gefährden eine Modernisierung der Art und Weise, wie Schülerinnen und Schüler in Deutschland unterrichtet werden und ein grundsätzliches Neudenken der Kategorien „Wissen“ und „Können“ also letztlich die Wissensvermittlung oder kann diese vielmehr von einem entstaubten, frischen Ansatz profitieren und durch ihn effizienter werden? Lehrer|Schüler hat einen genaueren Blick auf das Interview und die darin geäußerten markanten Aussagen geworfen.
Inhaltsverzeichnis
- >>> „Kompetenzenpädagogik“ als Schlagwort einer neuen Lehrplangeneration
- >>> Vorteile einer Ausrichtung der schulischen Wissensvermittlung auf die Förderung von Kompetenzen
- >>> Kompetenzentraining praktisch umgesetzt: Eine fächerübergreifende Projektidee für Jugendliche
- >>> Wie kann Kompetenzvermittlung auch fachlich bereichernd sein?
- >>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler
>>> „Kompetenzenpädagogik“ als Schlagwort einer neuen Lehrplangeneration
„Was bedeutet ‚Kompetenzenpädagogik‚?“ – Zu dieser grundsätzlichen Nachfrage sieht sich auch die Moderatorin schnell veranlasst, woraufhin Kraus die Frage nach dem Wesen der Kompetenzenpädagogik aus unserer Sicht nur unzureichend beantwortet, indem er abstrakte und verworrene Wortungetüme kreiert. Seine Beispiele der Download-Kompetenz, der Just-in-Time-Kompetenz sowie der Google-Kompetenz sind willkürliche Wortneuschöpfungen und zeigen in den Augen von Lehrer|Schüler, dass dieser einschlägige Fachbegriff von Kraus insgesamt nicht hinreichend erfasst wurde, zumal er letztlich nicht definiert wird, trotzdem aber veranschaulicht.
Außerdem vermischt der Lehrerverbandspräsident die vermutete konkrete Problematik, dass inhaltliches Wissen, etwa im Fach Geschichte, fehle, mit dem abstrakten Begriff der Kompetenzvermittlung. Es zeigt sich vor allem aber ein insgesamt sehr konservativ-ängstlich geprägtes Weltbild, das so gar nicht in eine moderne Zeit passen will, in der „Kompetenzen“ keine willkürlichen Zukunftskonstrukte in der Theorie verhafteter Pädagoginnen und Pädagogen sind, sondern selbstverständliche, aus der beruflichen Lebenswirklichkeit gegriffene Anforderungen an moderne Menschen und besonders an Wissensvermittler wie Lehrerinnen und Lehrer.
>>> Vorteile einer Ausrichtung der schulischen Wissensvermittlung auf die Förderung von Kompetenzen
„Kompetenz“ bedeutet tatsächlich auf übergeordneter Ebene, dass es einige Grundfertigkeiten gibt, die sich weder nur einzelnen Schulfächern noch einzelnen konkreten Lehrplaninhalten zuordnen lassen. Dies bedeutet mitnichten, dass durch die Kompetenzorientierung die Vermittlung spezifischen Wissens vermieden oder entwertet würde; ganz im Gegenteil sollen gerade daran exemplarisch Kompetenzen trainiert werden, beispielsweise durch fächerübergreifenden Unterricht sowie spezielle Projekte. Die Einbettung der Kompetenzenvermittlung in fachliche Inhalte weniger steif zu gestalten, ist nach Überzeugung von Lehrer|Schüler aber ein Gewinn für alle Beteiligten.
Lehrerinnen und Lehrer können kreativer und flexibler an ihre Arbeit herangehen und sie gestalten, Schülerinnen und Schüler lernen vernetzter und zeitgemäßer, wenn sie den Erwerb und Ausbau von Kompetenzen in den Schulen wie selbstverständlich und praxisnah vermitteln bzw. erlernen. Letztlich profitieren auch Firmen in der freien Wirtschaft davon, denn sie haben es künftig mit umseitiger gebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun, die den Anforderungen der modernen Wirtschaftswelt wesentlich besser gewachsen sind als verkopfte und mit reinem Theoriewissen vollgepfropfte Inselbegabte.
>>> Kompetenzentraining praktisch umgesetzt: Eine fächerübergreifende Projektidee für Jugendliche
Stellen wir uns vor, Sie sind Lehrkraft an einer allgemeinbildenden Schule, die in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern qualitativ besonders hochwertig unterrichtet und die sich dadurch über die letzten Jahre ein gewisses Renommee in der Region erworben hat. Im Sinne kompetenzenorientierten Unterrichts könnte eine Schulklasse ein gemeinsames Podcast-Projekt starten, bei dem die Schülerinnen und Schüler gemeinsam eine Sendung zu einem gleichzeitig historisch angelegten und zeitgenössisch relevanten Thema erstellen. Der Projekttitel könnte lauten: „‚Reichsbürger‘, ‚Lügenpresse‘, Corona-Skeptiker – Wieso denken heuzutage so viele Menschen ‚quer‘?“ Lehrer|Schüler stellt Ihnen im Folgenden kurz vor, welche Dimensionen ein solch kreatives und fächerübergreifendes Projekt im Schulalltag annehmen könnte.
In verschiedenen Arbeitsgruppen über alle Unterrichtsfächer hinweg könnte – mit Sozialkunde und Geschichte als Leitfächern – an verschiedenen Aspekten der Podcast-Vertonung gearbeitet werden. Neben ausgiebiger inhaltlicher Recherche und Aufarbeitung in den Gesellschaftswissenschaften könnten im Kunstunterricht Werbe- oder (Gegen-)Demonstrationsplakate erstellt werden, besonders forsche Schülerinnen und Schüler könnten Interviews in der Fußgängerzone mit deutschsprachigen Passanten oder fremdsprachigen Touristen führen, technikaffine Klassenmitglieder könnten sich um eine angemessene Tonqualität kümmern, wieder andere Schülerinnen und Schüler könnten in einem Quellenstudium die historische Dimension des Themas beleuchten, Sportbegeisterte könnten einen Ausdruckstanz mit sozialkritischem Ansatz choreographieren und bei einem Elterninformationsabend aufführen, …. Nimmt man Kompetenzenpädagogik ernst, sind die Möglichkeiten nahezu unerschöpflich, wie man Kindern und Jugendlichen Eigenverantwortung für den eigenen, fachlich umso ergiebigeren Lernprozess übernehmen lassen könnte.
>>> Wie kann Kompetenzvermittlung auch fachlich bereichernd sein?
Wenn sie richtig verstanden wird, ist Kompetenzvermittlung per se immer auch fachlich bereichernd. Der Fokus liegt durch diese Neuausrichtung der Lehrpläne und der Konzepte hinter der Idee der Wissensvermittlung an Kinder und Jugendliche wieder viel mehr auf den pädagogisch-didaktischen Fertigkeiten der Lehrkraft, die bei der Wissensvermittlung ohnehin die zentrale Rolle einnimmt. Anstatt sich dagegen zu wehren, sollten Pädagoginnen und Pädagogen diese Betonung ihres Könnens als Herausforderung sehen, kreativer und individueller unterrichten zu können als je zuvor.
Lehrer|Schüler bietet daher an, einzelne Lehrkräfte oder auch ganze Kollegien gezielt im Bereich der Vermittlung von Kompetenzen zu schulen. Neben einer sauberen Analyse des Begriffs werden (in Maßen) theoretische sowie vor allem praktische Kenntnisse vermittelt. Konkrete Unterrichtsbeispiele sowie praktikable Praxistipps runden die Seminare ab. Gerne besuchen wir Sie für Workshops, die Sie gemeinsam mit uns entwerfen können, in Ihren Räumlichkeiten und vermitteln Ihnen vor Ort, in entspannter Atmosphäre, die Säulen modernen und zeitgemäßen Unterrichts, bei dem die Vermittlung von Kompetenzen durch die Neugestaltung der Lehrpläne in der Tat viel mehr in den Vordergrund gerückt ist als bisher.
>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler
- L1 | Quereinsteiger und Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf: Beratung und Begleitung
- L4 | Digitalisierung und Homeschooling für Lehrkräfte
- L5 | Praxiscoaching für Lehrkräfte I: Unterrichtsvorbereitung und Korrektur
- R1 | Hilfe und Begleitung im Referendariat für ein Lehramt
- R2 | Lehrproben und Unterrichtsbesuche im Lehramtsreferendariat: Vor- und Nachbereitung
- R3 | Examensarbeit im Lehramt: Betreuung und Beratung
- R4 | Mündliche Staatsprüfung im Zweiten Staatsexamen für ein Lehramt: Coaching und gemeinsame Vorbereitung
- E1 | Pädagogische und fachliche Unterstützung und Begleitung für Eltern
Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne!
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