Microsoft Teams im Homeschooling – ein gutes Videotool für den Distanzunterricht?

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Böse Zungen behaupten, dass erst ein einschneidendes und historisches Ereignis wie die COVID-19-Viruspandemie nötig war, damit in der deutschen Bildungslandschaft moderne Unterrichtsformen Einzug gehalten haben, die auch den digitalen Möglichkeiten Rechnung tragen, die das 21. Jahrhundert für den Schulunterricht technisch bietet. Während mancherorts zu Beginn der Pandemie noch ernsthaft mit Overheadfolien unterrichtet wurde, reden

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de
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erinnen und Lehrer, Lehramtsreferendarinnen und Referendare eines Lehramts, Schülerinnen und Schüler, Schülereltern und Schulleitungen mittlerweile über die Integration von Videotools in den pädagogischen Alltag, um zumindest Wechselunterricht zu ermöglichen. Einen Entwicklungsschub gab es auch, was die technische Ausstattung von Lehrkräften mit Tablets und Laptops bzw. Convertibles angeht.

Doch die schöne neue Technikwelt lässt sich nur dann wirklich produktiv für die Wissensvermittlung nutzen, wenn neben der Geräteausstattung einerseits auch das Wissen über den Umgang damit sowie softwareseitig geeignete Werkzeuge zur Verfügung stehen, um Wechselunterricht und Beschulung auf Distanz sinnvoll umzusetzen. Ein gern genutztes Tool für das Homeschooling ist Microsoft Teams, und wenn es auch beileibe nicht die einzige oder beste Lösung sein muss, so ist es doch eine häufig genutzte an deutschen Schulen. Grund genug, dass wir von Lehrer|Schüler als Experten für digitales Unterrichten und zeitgemäße Unterrichtsgestaltung uns das Videotool einmal genauer ansehen.

>>> Was ist Microsoft Teams und wie kann ich es als Lehrer für das Homeschooling einsetzen?

Microsoft Teams ist in erster Linie ein Videokonferenztool, das ursprünglich für die Verwendung im privaten Bereich sowie im Business-Kontext entwickelt wurde. Neben einer Chatfunktion (in einer 1:1-Situation oder in größeren Gruppen) bietet es jedoch auch die Möglichkeit, dass mehrere Nutzer eingestellte Dokumente simultan verwalten und bearbeiten können. Interessant für den Schulkontext ist beispielsweise, dass „Aufgaben“ zeitgesteuert verteilt und mit einer Frist versehen wieder eingesammelt werden können – Diskussionen über Abgabeformalitäten mit Schülerinnen und Schülern erübrigen sich damit. Man kann Einzelgespräche führen, und – zum Beispiel zur Individualisierung und Differenzierung – „Breakout Rooms“, also Gruppenräume, einrichten und damit z.B. Gruppenarbeiten durchführen lassen, die unter Realbedingungen aktuell schwierig umzusetzen wären. Schülerinnen und Schüler können sich virtuell „melden“ – das schafft Disziplin im virtuellen Klassenzimmer – und in ein „Spotlight“ gerückt werden, womit sie den Fokus der Klasse erhalten. Das ist ein wunderbares Instrument für Lehrkräfte, die unterrichtlich Akzente setzen wollen. Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Tatsache, dass sich das Tool zielgerichtet um „Apps“ erweitern lässt, was sich zum Beispiel für die Binnendifferenzierung im Fachunterricht anbietet, wenn gezielt an inhaltlichen Problemen gearbeitet werden soll.

Der größte Vorteil von Microsoft Teams ist sicherlich – und das dürfte der Grund gewesen sein, dass es vielerorten zu Beginn der COVID-19-Viruspandemie schnell zur Unterrichtslösung Nummer eins wurde -, dass das Tool – im Gegensatz zu den kultusministeriellen Angeboten in vielen Bundesländern – alle für den Unterricht benötigten Funktionen in einem Programm vereint. Es ist damit also unnötig, ein Tool zur Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern zu verwenden und ein zweites, um das Unterrichtsmaterial zu organisieren und zu verteilen. Dieses Problem hatte Lehrer|Schüler erst kürzlich in dem Artikel rund um den Einsatz von Moodle im Distanzunterricht aufgegriffen. „All-in-One-Lösungen“ waren im Frühjahr 2020, als die Pandemie endgültig auch Deutschland erreichte, gefragt wie nie, da sie wenigstens etwas Ordnung und Struktur in den Unterricht brachte, als der bis dato gewohnte Unterrichtsrahmen unerwartet aufgebrochen wurde und an vielen Schulen eine Zeit lang Chaos ausbrach.

>>> Was sind die Vor- und Nachteile von Microsoft Teams als Videotool für den Onlineunterricht?

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de

Bei der Analyse von Microsoft Teams fiel uns von Lehrer|Schüler schnell auf, dass das Programm auf den ersten Blick alles vereint, was man sich als Lehrkraft wünscht: Videositzungen lassen sich zuverlässig starten, Schülerinnen und Schüler hinzuschalten, Bildschirminhalte einblenden und gemeinsam besprechen – sogar Videos lassen sich mit Ton abspielen – und Aufgaben erteilen (und einsammeln). Die Grundfunktionen für einen schnellen Einstieg in das Homeschooling sind also funktionabel und zuverlässig.

Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch einige Schwächen, um die man als Lehrkraft wissen muss. Die Organisation in „Teams“ und „Kanäle“ – das kennzeichnende Merkmal von Microsoft Teams – ist aus unserer Sicht unnötig kompliziert – am sinnvollsten ist es wohl, wenn man eine Klasse als ein „Team“ definiert und als „Kanäle“ dann Unterthemen wählt, z.B. passend zu den Lehrplanthemen benannte Subgruppen. Das ist aber oft willkürlich und macht klare Absprachen innerhalb des Lehrerkollegiums nötig, wenn Sie Ihre Schülerinnen und Schüler nicht komplett verwirren wollen. Zumal es noch einen Pflichtkanal „Allgemeines“ gibt, der in etwa so sinnvoll ist wie das Register „Sonstiges“, wenn Sie ihr Unterrichtsmaterial offline organisieren wollen. Wenn Sie nichtssagende Kategorien zur Strukturierung verwenden, können Sie es auch gleich sein lassen.

Insgesamt erscheint das Organisatorische mit Microsoft Teams zwar machbar, aber das Programm wirkt doch recht sperrig. Termine für Videokonferenzen können Sie beispielsweise auf verschiedene Arten in den gemeinsamen Kalender einstellen, doch nicht per einfachem „Drag & Drop“. Sie müssen mühselig jeden einzelnen Termin von Hand eintragen, auch wenn Sie dafür bestehende Termine kopieren können. Und wenn Sie Pech haben – das ist uns beim Testen mehrfach passiert – erscheint die Konferenz grundlos nicht bei jedem Mitglied im persönlichen Kalender. Aufgaben für Schülerinnen und Schüler können hinterlegt werden, aber beispielsweise können Sie diese nicht der Übersichtlichkeit halber manuell sortieren und zum Beispiel nach Klassen organisieren – Überblick adé!

Darüber hinaus kann es immer wieder zu unerklärlichen Fehlern kommen, die auch die engagierteste Lehrkraft ratlos zurücklassen – wenn Sie beispielsweise Teamteaching mit einer Kollegin oder einem Kollegen in einer gemeinsamen Klasse betreiben, kann nur einer von beiden die Videositzung leiten, obwohl beiden gleichberechtigt die Anwenderrolle „Besitzer“ zugeteilt wurde. Der andere musste in unserem Test dann manuell zugelassen werden, was ungünstig ist, wenn der bevorrechtigte Kollege oder die als Hauptbesitzerin anerkannte Kollegin einmal ausfällt. Problematisch ist beispielsweise auch, dass (gesondert hervorgehobene und daher besonders wertvolle) „Ankündigungen“ aktuell nur per Desktop-Version angelegt werden können. Per Smartphone oder Tablet kann man aktuell nur Standardpostings einstellen, die leicht in der Masse an Nachrichten untergehen können.

>>> Warum ist Microsoft Teams nicht das perfekte Tool für den Distanzunterricht?

Dem gründlichen Beobachter fallen also auch an der hochgelobten Softwarelösung Microsoft Teams kritikwürdige Punkte auf, was sicherlich auf folgende Umstände zurückzuführen ist: Erstens sind viele Herausgeber von Programmen in den letzten Jahren davon abgekommen, neue Softwareprodukte vor der Veröffentlichung so intensiv zu testen, dass sie erst in den Verkauf kommen, wenn sie wirklich „fertig“ sind. Stattdessen wird heute oft der Weg gewählt, dass Programme in einer Art gebrauchsfertiger Erstversion herauskommen, die dann erst während der Nutzung „on the fly“ durch das Kundenfeedback gezielt nachgepatcht werden. Der Qualitätsanspruch wird daher oft erst nach dem Kauf erfüllt – wichtiger scheint zu sein, dass man der Konkurrenz immer einen Schritt voraus ist.

Zweitens ist Microsoft Teams nach wie vor nicht in erster Linie ein Tool für den Schulunterricht, sondern die Kompatibilität mit den Anforderungen des Distanzunterrichts wurde erst nachträglich durch Anpassungen hergestellt, so dass das Tool nun eher ein generelles Werkzeug für kollaboratives Arbeiten mit Teammitgliedern an unterschiedlichen Orten ist als eine 1A-Lösung für den Schulunterricht auf Entfernung. Das ist aus unternehmerischer Sicht sicher sinnvoll, muss man als Lehrerin oder Lehrer aber im Hinterkopf haben, wenn man das Programm verwendet.

Drittens – auch das merkt man nach Ansicht von Lehrer|Schüler auch bei Microsoft Teams deutlich – wird in vielen Softwareschmieden ganz offensichtlich das Thema „Usability„, also die Nutzerfreundlichkeit, noch immer von Programmierern „mit erledigt“. Es macht bei der Programmierung einen entscheidenden Unterschied, ob ich mich in die Sicht des Anwenders begebe oder ob ich das Design und die Funktion eines Programmes aus technischer Sicht denke. Was sich programmiertechnisch sauber umsetzen lässt, ist nicht immer intuitiv in der Handhabung und was für den Endverbraucher angenehm zu benutzen ist, lässt sich nicht immer einfach programmieren. Idealerweise hätten daher bei der Weiterentwicklung von Microsoft Teams zu einem „Schweizer Taschenmesser“ für den Schulunterricht auch die Hauptanwender, Lehrerinnen und Lehrer, konsultiert werden sollen. Es scheint, das sei bei Microsoft Teams nicht unbedingt der Fall gewesen.

>>> Wie lässt sich Microsoft Teams trotz seiner Schwächen sinnvoll im Homeschooling einsetzen?

Trotz seiner offenkundigen Schwächen finden wir von Lehrer|Schüler, dass Microsoft Teams eine durchaus passable Lösung für den Distanzunterricht ist – und sei es nur die beste, die es eben momentan gibt. Da die Software aber nicht in jeder Hinsicht intuitiv für die Anwenderin oder den Anwender gestaltet ist, kommt man als Lehrerin oder Lehrer wohl nicht umhin, sich in der Einarbeitungsphase eine professionelle Anleitung zu besorgen – „learning by doing“ dürfte gerade nicht besonders technik- oder medienaffinen Lehrkräften schwerfallen. Natürlich gibt es unzählige Anleitungen im Internet, etwa das „Schnellstarthandbuch“ oder die „Bedienungshilfen für Microsoft Teams„, besonders wenn Sie auf die barrierefreie Nutzung angewiesen sind, von Microsoft selbst.

Das im mitp-Verlag erschienene „Praxis-Handbuch“ für Microsoft Teams ist als klassisches gedrucktes Buch hingegen auf jeden Fall unsere Empfehlung wert. Äußerst kleinschrittig und mit etlichen Screenshots führt der Autor Helmut Gräfen die geneigte Leserin und den Hilfe suchenden Leser klar strukturiert durch seine „8 Schritte zur erfolgreichen Arbeit mit Microsoft Teams“ und erspart damit sicher vielen Lehrkräften das ein oder andere (weitere) graue Haar – denn Lehrerinnen und Lehrer sollten ihre Zeit nicht mit der Einarbeitung in nicht sehr benutzerfreundliche Softwarelösungen vergeuden müssen, sondern ihre Kreativität in die Vorbereitung spannenden und lehrreichen Unterrichts zum Wohle der Schülerinnen und Schüler investieren können.

>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler


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