Berufliche Schulen – das Stiefkind der Lehrerausbildung. Oder: Muss es unbedingt das Gymnasium sein?

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Ein gängiges Vorurteil über Lehrerinnen und Lehrer besagt, dass viele von ihnen wenig bereit seien, sich auf Neues einzulassen, was sich schon in der Berufswahl zeige. Schließlich wählten Lehrkräfte ein berufliches Umfeld, das ihnen schon seit dem sechsten Lebensjahr bestens vertraut sei: Die Schule. Das ist bezogen auf die Berufswahl von Lehrerinnen und Lehrern nach dem Dafürhalten von Lehrer|Schüler natürlich wirklich nur ein Vorurteil – allerdings eines mit einem durchaus wahren Kern.

>>> Wer vom Gymnasium kommt, will auch wieder dorthin

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehramtsstudenten | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehramtsstudenten | lehrerschueler.de

Nun ist die Schulart, die der weit überwiegende Teil der Lehrkräfte besucht hat, natürlich das Gymnasium – klar, schließlich ist die allgemeine Hochschulreife die Voraussetzung für so gut wie jedes Lehramtsstudium. Lassen wir „abweichende“ Bildungsbiografien an dieser Stelle einmal beiseite. Zahlenmäßig dürften Lehramtsstudentinnen und Lehramtsstudenten, die über den Weg der beruflichen Schulen (FOS/BOS oder deren Pendants) oder über das „Meister-Abi“ (also die Hochschulzugangsberechtigung aufgrund eines Meisterbriefs) kommen, keine allzu große Rolle spielen, wie unsere Beratungen für angehende Lehrerinnen und Lehrer bei Lehrer|Schüler auch immer wieder zeigen. Der Löwenanteil der Lehramtsstudierenden hat also ganz klassisch an einem Gymnasium das Abitur erworben und ist dann (allzu oft ohne vermeintlich lästige Umwege jenseits des Tellerrandes) an der Universität gelandet. Und mit welchem Ziel? Richtig, mit dem Berufswunsch „Gymnasiallehrerin“ oder „Gymnasiallehrer“. Das gilt für fast die Hälfte aller Lehramtsstudentinnen und Lehramtsstudenten, nachzulesen zum Beispiel in einer einschlägigen Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Folgen dieser Entscheidung?

Überfüllte Seminare an den Unis und maue Berufsaussichten für die angehenden Gymnasiallehrkräfte. Selbst mit der Kombination Mathematik/Physik — lange Jahre praktisch mit einer Einstellungsgarantie versehen — ist es nicht mehr selbstverständlich, eine Stelle am Gymnasium zu ergattern; ganz zu schweigen von den berüchtigten „Todeskombis“ wie Deutsch/Geschichte oder Deutsch/Erdkunde! Die Alternativen erscheinen den Studierenden oft wenig verlockend, wie unsere Studienberatung für Lehramtsstudentinnen und Lehramtsstudenten gezeigt hat.

In Bundesländern, in denen man von vornherein nicht für das Lehramt an Gymnasien, sondern für „Gymnasium/Gesamtschule“ ausgebildet wird, ist man nicht ganz so festgelegt. Dennoch käme für die meisten Lehramtskandidatinnen und Lehramtskandidaten allenfalls noch die Realschule als berufliche Alternative in Frage. Die ungeliebte Mittelschule wird üblicherweise nur von denen gewählt, die sich den Umgang mit „schwierigen“ Schülerinnen und Schülern zutrauen. Das Gleiche gilt für das Förderschullehramt, das zudem noch (trotz seit Jahren extrem hohen Bedarfs) mit einem geradezu absurd hohen NC belegt ist. Für Mittel- und Realschule gilt außerdem, dass die Aufstiegsmöglichkeiten (auch hinsichtlich der Gehaltsstufe) deutlich beschränkt sind.

>>> Berufliche Schulen als Alternative zu einer Lehrerstelle am Gymnasium

Bleibt noch die Berufsschule. „Berufsschule? Wo die Azubis hingehen? Was soll ich denn da mit meinem Deutsch oder Englisch? Und brauche ich da nicht selbst erstmal eine Ausbildung?“ wird sich nun manche Lehrkraft fragen. Bedingt sind diese Fragen nach Ansicht von Lehrer|Schüler berechtigt — was aber gern übersehen wird, sind zwei Punkte: Zum einen werden auch an der „klassischen“ Berufsschule allgemeinbildende Fächer wie Deutsch, Mathematik oder Englisch gelehrt, zum anderen umfasst das Spektrum der beruflichen Schulen — wie der korrekte Ausdruck lautet — eine Vielzahl von Schularten. Hier finden sich auch — je nach Bundesland — das berufliche Gymnasium, die FOS/BOS und etliche andere Bildungsgänge, von denen einige auch zum allgemeinen Abitur führen. Der Unterricht dort ist also durchaus anspruchsvoll und von hohem Niveau. Natürlich haben auch die beruflichen Schulen ihre Herausforderungen. Wer im BVJ, dem Berufsvorbereitungsjahr, landet, den erwartet eine Schülerklientel, der er am Gymnasium vorerst nicht begegnen wird. Darauf muss man sich natürlich einlassen können.

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de

Dennoch zeigt sich immer wieder: Wer an einer beruflichen Schule unterkommt (auch viele Gymnasiallehrkräfte verschlägt es zunächst unfreiwillig dorthin), der will – hat er erst einmal seinen Kulturschock überwunden – nicht mehr weg. Dafür gibt es gute Gründe. So berichten zum Beispiel viele, dass die Atmosphäre im Kollegium an beruflichen Schulen viel lockerer sei als an den meisten Gymnasien. Dazu trägt sicher die sehr heterogene Herkunft der Lehrerschaft bei, wo sich Handwerker mit Geistes- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern mischen. Auch der Korrekturaufwand ist in den meisten Bildungsgängen wesentlich überschaubarer als am Gymnasium. Davon dürften vor allem die Vertreter geisteswissenschaftlicher Fächer profitieren. Außerdem ist an beruflichen Schulen der Zeitaufwand für außerunterrichtliche Tätigkeiten (Klassenfahrten, „Tage der offenen Tür“, Musik- und Theateraufführungen und vieles mehr) wesentlich geringer. Diese rauben den Lehrkräften oft die Abende und sind dementsprechend unbeliebt. Wenn man an einem Gymnasium landet, das großen Wert auf seine Außenwirkung legt, können sich solche „Events“ durchaus häufen.

>>> Welches Gehalt beziehen Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer?

Bleibt noch die Frage nach Gehalt und Aufstiegschancen, die an Mittel- und Realschule ja eher bescheiden ausfallen: Eine Mittelschullehrerin oder ein Mittelschullehrer steigt mit der Besoldungsstufe A12 ein (wie viel das konkret ist, kann man zum Beispiel in diesem Gehaltsrechner für den Öffentlichen Dienst nachlesen) und kann allenfalls noch Konrektorin / Konrektor oder Rektorin / Rektor werden. Damit erreicht sie oder er maximal A14. Mit viel Glück und noch mehr Engagement wird sie oder er Schulrätin / Schulrat und bekommt dann A15. Für die Realschule gilt in den meisten Bundesländern dasselbe. Das ist an den beruflichen Schulen anders: Sie zählen zum Bereich der Sekundarstufe II, weswegen Gehaltseinstufung und Beförderungsämter denen der Gymnasiallehrkraft entsprechen. Auch eine Lehrerin oder ein Lehrer an einer beruflichen Schule steigt also als Studienrätin / Studienrat mit der Besoldungsstufe A13 ein und kann dann bis zur Oberstudiendirektorin / Oberstudiendirektor (A16) befördert werden. Das entspricht der Besoldung einer Schulleitung am Gymnasium.

Lehrer|Schüler - Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de

Für das Stundendeputat gilt ebenso, dass Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen eine geringere Zahl an Pflichtstunden leisten müssen als Grund- oder Hauptschullehrkräfte. Hier sind es in den meisten Bundesländern nur 23 oder 24 Stunden gegenüber 26 oder 27 an der Mittelschule. Nur am Gymnasium ist die Pflichtstundenzahl mit 23 noch etwas niedriger. Wenden Sie sich gerne an Lehrer|Schüler, wenn Sie auf Grund Ihrer hohen Deputatsbelastung Hilfe zu den Themen Unterrichtsvorbereitung und Korrektur benötigen – unsere professionellen Beraterinnen und Berater aus dem aktiven Schuldienst coachen Sie gerne individuell.

>>> Bundesweit gute Einstellungschancen an beruflichen Schulen

Klingt attraktiv? Dann auf in das Lehramt an beruflichen Schulen – denn wie so oft sind die Lehrkräfte einzelner Schularten untereinander nur eingeschränkt kompatibel! Als Krankheitsvertretung sind Gym-Lehrerinnen und -lehrer an den beruflichen Schulen gern gesehen; ihr Einsatz ist aber meist zeitlich begrenzt. Auch hier gibt es aber natürlich wieder Unterschiede zwischen den Bundesländern. So ist zum Beispiel in Bayern nach fünf Jahren Schluss, wenn es nicht eine Sondermaßnahme zur Nachqualifikation gibt. Das war in den letzten Jahren meist der Fall, aber verlassen kann man sich in den Augen von Lehrer|Schüler darauf nicht.

Deshalb sollte sich jede angehende Lehramtsstudentin und jeder potenzielle Lehramtsstudent fragen, ob es wirklich das Gymnasium mit seinen auf mittlere Sicht äußerst begrenzten Einstellungsmöglichkeiten und seinen oft gar nicht braveren, lernwilligeren Schülerinnen und Schülern sein muss oder ob sich nicht auch ein Seitenblick in Richtung der beruflichen Schulen lohnen würde. Für ein kurzes Lehrerpraktikum steht jede Schule auf Anfrage gern zur Verfügung — diese Möglichkeit kann während der coronabedingten Einschränkungen aber natürlich wegfallen.

>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler


Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne!


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