Was im Schulsystem schiefläuft – Missstände in Sachen Bildung in Deutschland

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Würde man mit der Blitzlicht-Methode Passanten in der Fußgängerzone irgendwo in Deutschland befragen, was ihnen spontan zum Thema Bildung in ihrem Land einfällt, wäre das Fazit insgesamt wohl eher durchmischt. Die Anzahl derer, die vom deutschen Bildungssystem in seiner aktuellen Form überzeugt sind, dürfte sich mit der Summe derer, die der Meinung sind, dass im Schulsystem gehörig etwas schiefläuft, zumindest die Waage halten. Sicherlich würde man kein einhellig positives Meinungsbild zum Thema Bildung in Deutschland erhalten. Lehrer|Schüler ist der Frage nachgegangen, woran das liegen könnte.

Sind die Deutschen heutzutage weniger das Volk der Dichter und Denker, sondern vielmehr eine Ansammlung missmutiger und nörglerischer Protestler? Verkennen sie etwa die hohe Qualität ihres Bildungssystems im Vergleich zu dem anderer Länder? Werden „die Deutschen“ nicht für ihren Erfindungsreichtum und ihre Kreativität weltweit anerkannt, steht deutsche Ingenieurskunst nicht nach wie vor für Qualität und Innovation? Und hat dieser Ruf dann nicht auch seine Ursachen in einem entsprechend gestalteten Bildungssystem? Es lohnt sich, einmal genauer zu betrachten, welche Missstände es tatsächlich in der deutschen Bildungslandschaft gibt – nämlich durchaus auch solche, die Laien, die sich regelmäßig an dieser teils (zu) emotional geführten Debatte beteiligen, nicht unbedingt erkennen können.

>>> Unterschiedliche Bildungsbedingungen in Deutschland: Von „bildungsfernen Schichten“ bis hin zur Migrationsdebatte

In Deutschland hängt der schulische Erfolg nach wie vor maßgeblich von gewissen Faktoren ab, die nach Ansicht von Lehrer|Schüler auch unerbittlich ein schlechtes Licht auf die deutsche Gesellschaftspolitik werfen. In einem derart wohlhabenden Land wie Deutschland, in der Mitte Europas, begünstigt von den neuesten technischen Entwicklungen und am Puls der Zeit des technologischen Fortschritts (das werden manche verneinen, aber möglich wäre es in jedem Fall), schafft es auch im 21. Jahrhundert noch nicht annähernd, gleiche und gerechte Bildungs- und Lebensbedingungen für alle in Deutschland lebenden Menschen zu schaffen. Bildung ist für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger ein Thema – niemand von uns kann sich der Schule entziehen – und insofern sollte sich auch jeder für Missstände im Bildungssystem interessieren.

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de

Kinder aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“ haben es deutlich schwerer als solche aus der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft, schulischen und beruflichen Erfolg im Leben zu haben. Wer keine Eltern hat, die einen frühzeitig und kompetent fördern und auf die Ausbildung von Lese-, Schreib- und Medienkompetenz drängen, hat schon in der Grundschule massive Nachteile. Migrantinnen und Migranten haben es in Deutschland ähnlich schwer, etwas zu erreichen, insbesondere, wenn beide Elternteile nicht in Deutschland geboren oder der deutschen Sprache vollumfänglich mächtig sind.

>>> Gründe für die Benachteiligung niedriger sozialer Schichten und von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund

Woran liegt das? Es dürfte sich in den Augen von Lehrer|Schüler um eine Mischung aus Vorurteilen, Stereotypen, traditioneller Ungleichbehandlung, dem Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse und einem tatsächlichen Kompetenzdefizit handeln – sowie um knallharte finanzielle Fragen. Kinder aus Arbeiterfamilien mit Migrationshintergrund haben eine wesentlich schlechtere Aussicht darauf, eines Tages das Gymnasium zu besuchen und studieren zu gehen als Professorentöchter und Arztsöhne kerndeutscher Familien. Das liegt einerseits daran, dass sich viele Menschen von Titeln und Status blenden lassen, aber auch daran, dass in bildungsnahen Schichten ganz andere finanzielle Möglichkeiten herrschen, den eigenen Nachwuchs zu fördern Reitstunden, Klavierunterricht und kulturelle Unternehmungen kosten Geld, das nicht jeder ohne Weiteres erübrigen kann.

Lehrer|Schüler - Beratung für Eltern von Schülern | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Eltern von Schülern | lehrerschueler.de

Zum Aufbau guter Bildungschancen gehört auch ein bewusst gepflegter Erziehungsstil, der häusliche Leseförderung bietet und schulische Leistungsfähigkeit und -bereitschaft durch ein breites Angebot an kreativem Lese- und Spielmaterial unterstützt. Beides können hart und viel arbeitende und gleichzeitig schlecht verdienende Eltern mit wenig aktiver Kontaktzeit mit ihren Kindern während des Tages nicht ohne Weiteres gewährleisten, da sie sich vorrangig um das Bestreiten des Lebensunterhalts kümmern müssen. Kinder und Jugendliche, die sich und einem wahllos zusammengestellten Medienangebotstrong strongohne Bildungsanspruch überlassen bleiben, können wichtige erste Schritte in Richtung einer höheren Qualifikation kaum alleine gehen.

>>> Zweiklassengesellschaft Lehrerberuf – Beamtentum und falsche Leistungsanreize

Doch man kann auch an einem anderen Hebel als bei den Schülerinnen und Schülern ansetzen Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland arbeiten unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. Je nachdem, in welchem Bundesland man als Lehrkraft arbeitet, erhält man einige hundert Euro im Monat mehr oder weniger – für ein- und dieselbe Arbeit. Ist man dann noch nur angestellt und nicht verbeamtet, summiert sich der Einkommensunterschied auf einen erklecklichen vierstelligen Betrag – im Monat! Man kann getrost von einer Zweiklassengesellschaft sprechen, wenn die Übernahme hoheitlicher Aufgaben nur bei Beamtinnen und Beamten im Schuldienst auch entsprechend vergütet wird.

Doch die Motivation von Lehrerinnen und Lehrer wird auch durch einen anderen Umstand massiv bedroht Beruflicher Aufstieg unter Lehrkräften erfolgt eben nicht nach einem klaren Leistungsprinzip, sondern nach einer festen Quote und zu festgelegten Zeitpunkten im Lehrerleben, die nahezu unabänderlich sind. Natürlich gibt es auch „Funktionsstellen“, auf die man sich aktiv bewerben muss und die an die „geeignetsten“ Kandidatinnen und Kandidaten vergeben werden – offiziell. De facto wird aber nicht nach „Eignung, Leistung und Befähigung“ beurteilt, wenn nur ein fester Prozentsatz an besonders guten Noten vergeben werden darf, die wiederum regelmäßig an die Dienstältesten gehen – unabhängig von deren tatsächlicher Leistung. Während sich junge Kolleginnen und Kollegen also durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben als Lehrkraft aufarbeiten müssen, um dann doch nur mittelmäßig bis schlecht beurteilt zu werden, bekommen arriviertere Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig Spitzennoten, obwohl sie Zusatzbelastungen längst abgelegt haben und vor allem mit dem Argument, dass sie „jetzt an der Reihe sind“.

Lehrer|Schüler - Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de

Dies führt aus Sicht von Lehrer|Schüler fatalerweise zu völlig falschen Leistungsanreizen: Der Aufbau einer „Verwaltungsmentalität“ und die Abwehr von wirklicher Innovation an Schulen unter älteren Kolleginnen und Kollegen sind die Folge, wenn man das Engagement des Lehrernachwuchses nicht entsprechend durch zeitige Beförderungen und eine deutliche Aufbesserung des Gehalts / der Besoldung honoriert. In unseren Beratungsgesprächen zum Thema „Ausstieg aus dem Lehrerberuf und berufliche Neuorientierung für Lehrkräfte“ wird regelmäßig eines deutlich: Viele Lehrerinnen und Lehrer verstehen nicht, dass im Schulbetrieb nicht die „gute Lehrerin“ oder der „gute Lehrer“ gefragt ist, sondern der Maßstab für beruflichen Aufstieg als Lehrkraft ist, ob man eine „gute Beamtin“ oder ein „guter Beamter“ ist, zumindest wenn man die gängige Beurteilungspraxis an Schulen kennt – mit fatalen Folgen für die Lehrermotivation.

>>> Veraltete Medienausstattung und unzeitgemäßer Digitalisierungsstand an vielen deutschen Schulen

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de

Spricht man von der Mehrheit deutscher Schulen – von löblichen Ausnahmen oder Modellschulen abgesehen -, muss man konstatieren, dass die Medienausstattung vielerorten noch mangelhaft ist. Wenn es auch im 21. Jahrhundert noch „Medienwägen“ gibt, die von Klassenraum zu Klassenraum geschoben werden und die zahlenmäßig zu wenig sind, wenn es in Schulgebäuden keinen, einen zu schwachen oder einen instabilen WLAN-Empfang gibt und Lehrerinnen und Lehrer (noch) nicht standardmäßig mit einem angemessen dimensionierten Einzelarbeitsplatz und einem Tablet zur dienstlichen Verwendung ausgestattet sind, kann man nach der Meinung von Lehrer|Schüler nicht von zeitgemäßen Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte sprechen.

Lehrerinnen und Lehrern, die aus abstrusen Datenschutzerwägungen oder aus Innovationsangst der Schulleitungen oder des Lehrerkollegiums noch immer über „das Fach“ oder eine Zettelwirtschaft miteinander kommunizieren anstatt über Messengerdienste und digitale Schulverwaltungsprogramme, die sich per App steuern lassen, kann man nicht ernsthaft die digitale Aus- und Weiterbildung der Schülerschaft anvertrauen. In Klassen, in denen Schülerinnen und Schüler besser programmieren und hacken können als ihre Lehrkräfte und diesen teilweise die Bedienung technischer Geräte erklären müssen, über die in der anschließenden Stunde unterrichtet werden soll, machen sich gelinde gesagt lächerlich. Der Sachaufwandsträger sowie die Kultusminister und die Politik im Allgemeinen sind gefragt, wenn es darum geht, Deutschland und seine Bildungspolitik auf das Niveau des gar nicht mehr so neuen Jahrtausends zu heben. Einstweilen können hilfsbedürftige Lehrerinnen und Lehrer sich durch unser Angebot „Digitalisierung und Homeschooling für Lehrkräfte“ von unseren qualifizierten Beraterinnen und Beratern in Sachen Medienkompetenz und digitaler Unterrichtsführung schulen lassen.

>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler


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