Willkommensklassen – mehr als nur Sprachvermittlung

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Sie nennen sich Internationale Förder- oder Vorbereitungsklassen und sind von der Grundschule bis zur Oberstufe an fast jeder deutschen Schule zu finden. Im Klassenzimmer sitzen zum Beispiel unbegleitete Minderjährige, die ohne Eltern und Familie nach Deutschland gekommen sind. Sie sind meistens aus Kriegsgebieten geflohen und leiden nicht selten unter Traumatisierungen aller Art. Sie sind häufig unkonzentriert, weil sie mit elementaren Fragen beschäftigt sind: Wie verläuft meine Anhörung morgen? Bekomme ich ein Bleiberecht und wann sehe ich meine Familie wieder? In einer solchen Klasse zu unterrichten, ist etwas Besonderes und stellt jede Lehrkraft vor außergewöhnliche Herausforderungen. Dass diese weit über Sprach- und Fachunterricht hinausgehen, liegt auf der Hand. Lehrer|Schüler hat sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt.

>>> Welchen Stellenwert haben Schulen für Flüchtlinge?

Für viele geflüchtete Schülerinnen und Schüler stellt die Schule nach den Erfahrungen von Lehrer|Schüler ihre einzige konstante Anlaufstelle dar. Insbesondere, wenn sie ohne Familie nach Deutschland gekommen sind oder noch in Heimen leben, vermittelt das Klassenzimmer ihnen Geborgenheit und Halt. Hier treffen sie auf Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Freunde, die Ähnliches erlebt haben wie sie selbst und sich vergleichbaren Herausforderungen stellen müssen. Darüber hinaus schafft Schule Verbindlichkeit und gibt den Tagen eine feste Struktur, die der Alltag in der Flüchtlingsunterkunft vermissen lässt. Im Idealfall treffen die Schülerinnen und Schüler auf pädagogisches Personal, welches diese Struktur mit Verständnis, Geduld und Konsequenz gleichermaßen einfordert.

Lehrer|Schüler - Beratung für Eltern von Schülern | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Eltern von Schülern | lehrerschueler.de

Schule prägt, Schule fordert und Schule führt zusammen. Dieser tägliche Ort der Begegnung ist der Platz von Integration schlechthin. Daraus erwächst eine beträchtliche Verantwortung für alle Beteiligten. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler in der Schule Schwierigkeiten erlebt, gibt es eben kein stabiles Elternhaus, kein vertrautes soziales Umfeld, das den jungen Menschen auffängt und ihn dabei unterstützt, nicht vom Weg abzukommen. In dieser Verantwortung liegen große Chancen, aber selbstverständlich auch beträchtliche Herausforderungen.

>>> Wie verläuft der Alltag in Willkommensklassen?

Die besonderen Umstände gilt es als Lehrkraft anzuerkennen und angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sehen sich Lehrerinnen und Lehrer mit großen, meist sehr heterogenen Klassen konfrontiert. Die Vorbildung der Schülerinnen und Schüler reicht von einem Niveau, welches in etwa dem an deutschen Schulen entspricht, bis hin zu einer Grundbildung, die gerade einmal über die Alphabetisierung hinausgeht. Diese Diskrepanz übersteigt das rein Fachliche und zeigt sich besonders im kulturellen Bereich. Verschiedene Sozialisationen und religiöse Hintergründe bis hin zu handfesten Konflikten aus dem Herkunftsland betreten jeden Tag mit den Schülerinnen und Schülern das Klassenzimmer und werden im täglichen Miteinander überdeutlich sichtbar. In Kombination mit den seelischen Folgen von Trennung, Flucht und Krieg befindet sich die jeweilige Lehrkraft in einer Situation, welche allein nur schwer zu bewältigen ist.

Lehrer|Schüler - Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de

Hinzu kommt, dass Pädagoginnen und Pädagogen meistens nicht ausreichend auf diese speziellen Gegebenheiten vorbereitet sind. Zumal für Lehrerinnen und Lehrer ein weiterer Aufgabenbereich zu den ohnehin zahlreichen Verantwortlichkeiten hinzukommt. Formale Aufgaben nehmen in Willkommensklassen einen großen Raum ein; weit mehr als in den meisten anderen Klassen. Die (Klassen-)Lehrerin wird beispielsweise um Unterstützung gebeten, wenn es um das Ausfüllen von Formularen geht, sie erklärt Anträge oder übersetzt den Inhalt von Anwaltsschreiben. Außerdem findet eine noch intensivere Beziehungsarbeit statt als es die meisten Lehrkräfte aus ihren anderen Klassen gewohnt sind.

Sie unterrichten nicht nur die deutsche Grammatik und erklären, was es mit Recycling, Patchworkfamilien und Religionsfreiheit auf sich hat. Sie werden zur Vertrauensperson und wissen oft genau über die Familiensituation oder gesundheitliche Probleme der Schülerin oder des Schülers Bescheid. Sie hören zu, was die Kinder und Jugendlichen zu erzählen haben – und der Bedarf an empathischen Zuhörern ist groß. Die enge Bindung, die sich dadurch aufbaut, ist etwas Wertvolles. Gleichzeitig kann sie auch gelegentlich zur Belastung werden, etwa wenn sich Jugendliche in einer ausweglosen Situation befinden und ihre Lehrkraft für sie die erste Anlaufstelle ist. Dann ist es wichtig, auch auf sich selbst zu schauen und die eigenen Grenzen zu wahren, um nicht mittelfristig die eigene Gesundheit in Gefahr zu bringen. Wenden Sie sich an Lehrer|Schüler, wenn Sie sich bei diesem Vorhaben Unterstützung wünschen und nehmen Sie ein Praxiscoaching für Lehrkräfte zu dem Themenkomplex Lehrergesundheit und Work-Life-Balance in Anspruch.

>>> Welche Fähigkeiten brauchen Lehrkräfte in Willkommensklassen?

Als erstes das Bewusstsein für genau diese besondere Situation in internationalen Klassen. Selbstverständlich ist jede Schulklasse anders und verfügt über eine eigene Dynamik. Jede Schülerin und jeder Schüler ist individuell und bringt seine eigene Persönlichkeit, seine Erfahrungen, Vorlieben wie Vorbehalte mit in den Unterricht. Lehrerinnen und Lehrer sind es gewohnt und es gehört zu ihrem professionellen Selbstverständnis, sich auf jede Klassengemeinschaft neu einzulassen. Gleichwohl bedarf es in internationalen Förderklassen in besonderem Maße einer interkulturellen Sensibilität, um neben der fachlichen auch die soziale und kulturelle Vielfalt aufzufangen.

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de

Einen sinnvollen Ansatzpunkt bildet hier das Teamteaching. Das gemeinsame Planen und Durchführen des Unterrichts durch zwei Lehrkräfte bietet vielfältige Förderungsmöglichkeiten, zum Beispiel das Teilen der Klasse in zwei Einzelgruppen. Das aktuelle Niveau der Schülerinnen und Schüler kann hier das entscheidende Kriterium sein; je nach Ziel des Unterrichtsabschnittes können aber auch heterogene Gruppen sinnvoll sein. Alternativ leitet eine Lehrkraft den Unterricht, während sich die andere auf Beobachtungen der Schüler konzentriert oder Einzelgespräche führt.

Von elementarer Bedeutung sind hier auch die gegenseitige Rückmeldung der Lehrkräfte sowie das gemeinsame Reflektieren des Unterrichtsgeschehens. Dies kommt einem wechselseitigen Coaching gleich, welches zur Professionalisierung beiträgt und Entlastung schafft. Zweifellos bildet das Privileg Teamteaching an den meisten Schulen bisher eher die Ausnahme als die Regel. Sollte dieser Beitrag zur Lehrergesundheit an Ihrer Schule momentan nicht realisierbar sein, nehmen Sie gerne die Supervisions- und Coachingangebote von Lehrer|Schüler in Anspruch.

Dass der Unterricht in internationalen Klassen weit über den Sprach- und Fachunterricht hinausgeht, ist unstrittig. Die unterrichtende Lehrkraft ist auf verschiedenen Ebenen gefordert: Sie leistet intensive Beziehungsarbeit, sie benötigt neben ihrer Fachkompetenz interkulturelles Bewusstsein und ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Die Verantwortung, die eine Lehrerin oder ein Lehrer trägt, reicht über den schulischen Kontext hinaus. Durch den umfassenden Stellenwert, den Schule für junge Migranten und Flüchtlinge einnimmt, erwächst auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Schule kann und soll dazu beitragen, dass Integration gelingt – vor allem durch Bildung. Und indem man den Schülerinnen und Schülern den Raum gibt, tatsächlich anzukommen. Für Pädagoginnen und Pädagogen ist dies neben allen Herausforderungen vor allem eins: eine erfüllende und bereichernde Tätigkeit.

>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler


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