„Reden Sie im Lehrerzimmer über Schülerinnen und Schüler?“ – Die ganz besondere Dynamik eines Raums voller Lehrkräfte

Geschätzte Lesedauer: 7 Minuten

Es ist meist eine Mischung aus Neugierde und Unsicherheit, die früher oder später eine mutige Schülerin oder einen couragierten Schüler dazu bringt, die Frage aller Fragen zu stellen: „Frau X / Herr Y, reden die Lehrer im Lehrerzimmer eigentlich manchmal über uns Schüler?“ Guter Rat und eine professionelle Reaktion, die möglichst auch auf Mikromimik verzichtet, ist nun teuer. Dass Schülerinnen oder Schüler all ihren Mut zusammennehmen müssen, um sich recht direkt nach dem Grad an Professionalität und Lästerei im Lehrerzimmer zu erkundigen, ist eine interessante Beobachtung. Doch warum ist das eigentlich so?

Bei genauerer Analyse der Frage fallen etliche Aspekte auf, die spannend und aufschlussreich zugleich sind und die Lehrer|Schüler in diesem Artikel für Sie als Lehrerin oder Lehrer analysiert hat. Es scheint ein großes Mysterium und von einer gewissen Bedeutung für Kinder und Jugendliche zu sein, was ihre Lehrkräfte über sie denken und sagen, wenn sie selbst nicht dabei sind. Treffen solche Fragen von Schülerinnen und Schülern nicht auch manchmal einen wunden Punkt in der so vielzitierten Lehrer-Schüler-Beziehung? Denn – wenn man ehrlich ist: So ganz ohne Vorsicht dürften Lehrerinnen und Lehrer auf die Frage nach der Klatsch-Bereitschaft in so manchem Lehreraufenthaltsraum nicht unbedingt antworten. Tauchen Sie also mit uns ein in den sagenumwobensten Ort jeder Schule: Das Lehrerzimmer

>>> Die Schülersicht: Das Lehrerzimmer als mysteriöser und geheimnisvoller Ort für Lehrkräfte

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehramtsreferendare | lehrerschueler.de

Wir beginnen mit der Perspektive, die jedermann bestens bekannt ist, der je eine Schule besucht hat: Wer kennt ihn nicht, den Moment, als man als Kind oder Jugendlicher zum Lehrerzimmer zitiert wurde oder dorthin musste, weil man von einer Lehrerin oder einem Lehrer etwas gebraucht hat? Im Unterricht ist manchmal zu wenig Zeit oder das Klassenzimmer ist der falsche Ort, um etwas zu besprechen und so verabreden sich Lehrkräfte und Schülerinnen bzw. Schüler vor dem Lehrerzimmer – das meist ganz in der Nähe des hochfrequentierten Schulsekretariats ist und einen direkten oder nicht weit entfernten Durchgang zum Büro der Schulleitung hat. Hinter einer schweren Tür befindet sich der mysteriöseste Ort der gesamten Schule: Ein Raum voller Lehrerinnen und Lehrer. Da anzuklopfen, erfordert Selbstbewusstsein, denn man weiß nie, welche Lehrkraft öffnet und mit welcher Laune man als Kind oder Jugendlicher empfangen wird.

Aus der Perspektive einer Schülerin oder eines Schülers braucht es nach der Ansicht von Lehrer|Schüler schon einen guten Grund, damit man freiwillig an der Lehrerzimmertür anklopft. Eigentlich möchte man dieses Zusammentreffen mit den eigenen Paukern außerhalb des Unterrichts doch lieber vermeiden und selbst, wenn man nichts Schlimmes vorbringt, keine Schuld eingestehen und keine Verfehlung zugeben muss – so richtig angenehm ist es nie, an der schweren Holztür zu klopfen, hinter der sich die geballte Pädagogenkompetenz versammelt hat. Da man als Kind oder Jugendlicher strengstes Zutrittsverbot zum Lehrerzimmer hat – es könnten ja sensible Datensammlungen wie Notenübersichten oder brisantes Material wie Unterrichtsmitschriften oder bald anstehende Klassenarbeiten herumliegen – ist der Reiz natürlich umso größer, wenigstens einen Blick in das sagenumwobene Reich der Lehrerinnen und Lehrer zu erhaschen. Klar, dass bei so viel Geheimnistuerei aus Schülersicht der Verdacht naheliegt, dass im Lehrerzimmer hemmungslos gelästert und über Schüler gelacht wird. Ein Mangel an Information schafft eben ein gewisses Maß an Unsicherheit.

>>> Die Lehrersicht: Das Lehrerzimmer als Rückzugsort und Showbühne der Eitelkeiten

Doch liegen Schülerinnen und Schüler so falsch, wenn sie vermuten, dass im Lehrerzimmer nicht auch ziemlich direkt über einzelne Klassen geredet wird? Mitnichten, gehört doch schließlich der kollegiale Austausch über die Geschehnisse des Tages, konkrete Vorfälle mit einzelnen Schülerinnen, Schülern oder Klassen sowie problematische und pädagogisch herausfordernde Situationen während des Lehreralltags zu den Kernaufgaben jeder Lehrkraft. Im Stile einer kollegialen Fallberatung kann man sich im Lehrerteam gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite stehen – verschiedene Perspektiven ermöglichen unterschiedliche Blickwinkel und diese führen zu neuartigen und manchmal unorthodoxen Lösungsansätzen, was dazu beitragen kann, dass auch komplizierte Sachverhalte professionell bewältigt werden können – zum Wohle der Schülerinnen und Schüler.

Lehrer|Schüler - Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Lehrerinnen und Lehrer | lehrerschueler.de

Doch so wünschenswert eine derart professionelle Herangehensweise im Lehrerkollegium auch wäre: Die Realität sieht in vielen Lehrerzimmern nach der Erfahrung von Lehrer|Schüler anders aus. Da wird hemmungslos über die Macken oder Schwächen einzelner Schülerinnen und Schüler hergezogen, es wird herzlich über „dumme“ und scheinbar unüberlegte Aussagen gelacht und es werden sogar preiswürdige Imitationen aufgeführt. Ist es nicht ein Armutszeugnis für jede Schule, wenn im Lehrerzimmer derart unprofessionell gehandelt wird? – Man muss bedenken, dass das Lehrerzimmer im Grunde der einzige Ort im gesamten Schulhaus ist, an dem Lehrerinnen und Lehrer garantiert unter sich sein können, sich von allen Konflikten und Problemen aus den Klassenzimmern zurückziehen und wenigstens kurz „durchatmen“ können. Offene Gespräche ohne Blatt vor dem Mund über die Erlebnisse des Tages wirken entlastend und helfen beim Druckabbau – aber natürlich dürfen sie nicht ins Respektlose, Böswillige und Herablassende abgleiten. Und erst recht muss gelten, dass keine Gesprächinhalte den geschützten Raum des Lehrerzimmers verlassenwhat happens in Vegas stays in Vegas.

Das Lehrerzimmer ist aber auch eine Bühne, auf der besonders extrovertiertere Zeitgenossen unter den Pädagoginnen und Pädagogen regelmäßig eine Mikro-Show zum Besten geben. Als Ort für eine Milieustudie über das Wesen der Lehrkraft im Allgemeinen und so manches Exemplar im Besonderen würde sich das durchschnittliche Lehrerzimmer bestens eignen. Da gibt es den Lehrer, der lauthals die aktuellen Themen der Weltpolitik mit seiner „ganz eigenen Meinung“ kommentiert, da gibt es die unsichere Lehramtsreferendarin, die jede freie Sekunde dazu nutzt, im Gespräch mit ihren Mitreferendarinnen und Mitreferendaren die eigenen Unterrichtsentwürfe zu optimieren oder die ältere Lehrkraft, die sich außer für ihre Tasse Kaffee und die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga vom Wochenende für wenig zu interessieren scheint. Besonders nervenzehrend sind jedoch jene Kolleginnen und Kollegen, die lautstarke Elterngespräche am Telefon führen und dabei das halbe Lehrerzimmer einbeziehen – selbstredend wird die Wut dann auch im Anschluss ebenso lauthals rausgelassen und es wird eine hitzige Diskussion über unverschämte Eltern und verzogene Kinder angezettelt. Sie sehen: Der vermeintliche Rückzugsort Lehrerzimmer ist eigentlich keiner, wenn es im Lehrerkollegium vor Selbstdarstellern und Diskussionsliebhabern, die sich auch in den Pausen nur zu gerne dem Thema Schule widmen, nur so wimmelt.

>>> Die Schulleitersicht: Das Lehrerzimmer als Ort des Dramas und der Verschwörungen

Für Schulleiterinnen und Schulleiter stellt sich die Situation zunächst einmal deutlich luxuriöser dar: Sie können selbst entscheiden, wann sie sich dem Trubel des Lehrerzimmers aussetzen und ob sie wirklich in jeder Pause dort präsent sein möchten. Wenn es Wichtiges mit einzelnen Lehrerinnen oder Lehrern zu besprechen gibt, bietet sich ohnehin eher ein Zweiergespräch im Direktorenzimmer an. Doch natürlich kennen auch Schulleiterinnen und Schulleiter die besondere Dynamik des Lehrerzimmers – und können nach dem Dafürhalten von Lehrer|Schüler mit ihrer Vorbildfunktion doch auch indirekt dafür sorgen, dass dort zumindest potenziell eine Oase der Ruhe entstehen kann – was sich in aller Regel positiv auf die Lehrergesundheit im Kollegium auswirken dürfte.

Lehrer|Schüler - Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de
Lehrer|Schüler – Beratung für Schulleitungen | lehrerschueler.de

Viele Direktorinnen und Direktoren betrachten nach unseren Erfahrungen aus den Lehrer|Schüler-Beratungsgesprächen mit Schulleiterinnen und Schulleitern das Lehrerzimmer jedoch als einen Ort, an dem sie als die Dienstvorgesetzten eher den Stempel einer persona non grata haben. Sie glauben wahrzunehmen, dass sich die offene Grundstimmung ändert, sobald sie den Raum betreten, dass sie verächtliche oder verängstigte Blicke ernten oder dass sie weitestgehend ignoriert werden. Bedenken Sie: Im Lehrerzimmer versammelt sich nahezu das gesamte Personal einer Schule und jede einzelne Person hat in der Regel eine deutliche Meinung zur Schulleitung – meist klar positiv oder negativ, selten neutral und häufig emotional aufgeladen. Es gibt immer auch einen gewissen Prozentsatz an Lehrerinnen und Lehrern, die sich unverstanden, bewusst überlastet, übergangen oder ausgebootet fühlen – so wird jeder Besuch der Schulleitung im Lehrerzimmer zum Spießrutenlauf.

Jede Schulleiterin oder jeder Schulleiter mystifiziert somit bewusst oder unbewusst das Lehrerzimmer zu einem Ort des Dramas und der Verschwörungen, wenn die Schulleitung nicht bewusst und präsent auftritt. Das beginnt beim Betreten des Raumes mit einer offenen, dem Kollegium zugewandten Körperhaltung, begleitet von einem Lächeln und einer positiven Grundhaltung und endet bei einer sachlichen und bewusst zeitlich knapp gehaltenen Form der Gesprächsführung (um zu signalisieren, dass man die raren Pausenzeiten des Kollegiums respektiert). Verbringen Sie als Schulleitung regelmäßig Zeit im Lehrerzimmer, aber halten Sie diese Besuche knapp und kalkulierbar, damit nicht der Eindruck von Kontrolle und Überwachung entsteht! Wenn Sie dann auftauchen, wirken Sie positiv und zeigen Sie, dass Ihr Erscheinen einen guten und nicht unbedingt im negativen Sinne folgenreichen Grund hat (z.B. die Verteilung weiterer Zusatzaufgaben, die einen erheblichen Mehraufwand für die betroffene Lehrkraft bedeutet)!

>>> Verbesserung der Lehrergesundheit und Work-Life-Balance für Lehrkräfte durch moderne Ansätze der Lehrerzimmergestaltung

Langsam, aber sicher halten auch Versuche der bewussten Gestaltung der Lehrerzimmer an Schulen nach Designmaßstäben Einzug in den deutschen Bildungseinrichtungen. Immer häufiger geht es weg von der beengten „Stallhaltung“ der Lehrerinnen und Lehrer mit kleinen Arbeitstischchen und unterdimensionierten Spinden zur Materialaufbewahrung hin zu offenen Arbeitsumgebungen mit Möglichkeiten zum gelebten Teamwork und zu unkomplizierter Zusammenarbeit über Fächergrenzen hinweg. Lehrer|Schüler findet: Das Lehrerzimmer aktiv zu einem angenehmen Aufenthaltsort umzugestalten ist einfacher als man denkt, erfordert aber Initiative und Veränderungswillen im kompletten Lehrerkollegium.

An vielen Schulen gibt es eigentlich untragbare Zustände: Das gesamte Lehrerkollegium wird in einen viel zu engen Raum gepresst, in dem sich teilweise mehrere Lehrerinnen und Lehrer einen Arbeitsplatz teilen müssen. Manche finden zu Stoßzeiten keinen geeigneten Ort, an dem sie ihre Unterrichtsvorbereitungen oder organisatorischen Aufgaben erledigen können. Berufen wird sich von höherer Stelle dabei oft auf bauliche Gegebenheiten vor Ort, die eine andere Lehrerzimmergestaltung verhindern würden. Doch selbst auf kleinstem Raum lassen sich Innovationen anstoßen, wenn sie von allen getragen werden: Verglasungen und mobile Trennwände sowie professionelles Workspace-Sharing schaffen zusätzliche Räume und Rückzugsorte für Gespräche oder konzentrierte Arbeit, Kücheninseln werden zu Orten der Begegnung.

Veränderungen sind möglich, wenn das gesamte Kollegium an einem Strang zieht und selbst aktiv wird, statt auf die Umsetzung von oben zu warten, die dann letzten Endes doch nie kommt. Spindreihen, die Fachschaften voneinander abkapseln, Sitzmöbel aus Haushaltsauflösungen in den Achtzigern oder eine einzige Kaffeemaschine für 80 Kolleginnen und Kollegen, die nur sporadisch gereinigt wird, prägen im Großen wie im Kleinen die Atmosphäre im Lehrerzimmer und das Klima unter den Lehrkräften und sollten der Vergangenheit angehören. Work-Life-Balance beginnt bei vermeintlich kleinen Dingen und Ordnung und Struktur in der eigenen Arbeitsweise und im Unterrichtsmaterial kann man als Lehrerin oder Lehrer auch am ungünstigst gestalteten Arbeitsplatz in der Schule selbst herstellen – lassen Sie sich von unseren professionellen Coaches aus dem aktiven Schuldienst kompetent beraten!

>>> Passende Beratungsangebote von Lehrer|Schüler


Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne!


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3 Antworten

  1. […] gegen den Widerstand der Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer hinzustellen und offensiv zu sagen „Ich mache das so und so und das muss dann reichen,“ […]

  2. […] ein hoher Anteil an Migrantinnen und Migranten, an Kindern aus dysfunktionalen Familien oder eine Atmosphäre im Lehrerzimmer, die demotivierend und negativ orientiert ist, sind nur einige der Faktoren, die die Arbeit an so […]

  3. […] die meist unproduktiv sind, jedoch die dringend benötigte Kurzerholung verhindern – auch im Lehrerzimmer finden viele Lehrkräfte also keine echte Möglichkeit, sich zu entspannen. Zahlreiche […]

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